Für Versicherungsmakler bedeutet dies: Sie drohen sich haftbar zu machen, wenn sie eine Grundfähigkeits-Police als gleichwertigen Schutz zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung anpreisen. Als treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers muss er die Unterschiede deutlich benennen: entsprechend auch die Nachteile eines solchen Vertrages.
Falschberatung: Makler verurteilt, weil er zu Grundfähigkeits-Police statt Berufsunfähigkeitsversicherung riet
k21814 | Keine Kommentare18.01.2022
Eine Grundfähigkeitsversicherung ist kein vollwertiger Ersatz für eine Berufsunfähigkeitsversicherung (SBU). Das bestätigt ein aktuelles Urteil des Landgerichtes Bamberg (Az.: 43 O 276/18). Demnach muss ein Versicherungsmakler eine Kundin entschädigen, weil er zur Kündigung einer BU-Police riet: und stattdessen die Versicherung von Grundfähigkeiten empfahl. Mit seinem Rat habe der Makler eine erhebliche Deckungslücke bei der Frau begünstigt, betonte das Gericht.
Geht es um die Absicherung der Arbeitskraft, dann ist ein Grundfähigkeits-Schutz kein vollwertiger Ersatz für eine private Berufsunfähigkeitsversicherung (SBU). Für Versicherungsmakler sollte dieses Wissen selbstverständlich sein. Weil ein Makler seiner Mandantin dazu riet, ihre BU-Police zu kündigen und gegen einen Grundfähigkeits-Vertrag einzutauschen, wurde er nun vom Landgericht Bamberg zu Schadensersatz verurteilt. Auf das Urteil macht die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte aus Hamburg aufmerksam.
Schlechter Rat, BU-Police zu kündigen
Im verhandelten Rechtsstreit wandte sich eine Versicherungsnehmerin an ihren Makler mit der Bitte, den bestehenden Versicherungsschutz zu überprüfen. Hierfür übergab sie ihm einen Ordner mit den abgeschlossenen Versicherungen. Der Versicherungsmakler empfahl daraufhin, verschiedene Verträge zu kündigen, da es günstigere und leistungsfähigere Optionen gäbe.
Fatalerweise war unter den Verträgen, die die Frau auf Rat des Maklers abstieß, auch eine langjährig laufende Berufsunfähigkeitsversicherung. Der Versicherungsmakler hatte ihr geraten, sie gegen eine Grundfähigkeits-Police einzutauschen, damit könne sie Geld sparen.
Der Unterschied, stark vereinfacht: bei einer BU-Versicherung zahlt der Versicherer in der Regel, wenn nachgewiesen wird, dass die versicherte Person zu mindestens 50 Prozent ihren Beruf dauerhaft -in der Regel mindestens sechs Monate- nicht mehr ausüben kann. Dem entgegen tritt bei Grundfähigkeits-Policen die Leistungspflicht ein, wenn eine laut Vertrag vereinbarte Grundfähigkeit -Sehen, Hören, Gehen, Sprechen- zu einem bestimmten Prozentsatz beeinträchtigt ist. Ratinghäuser wie Assekurata kritisieren Grundfähigkeits-Verträge für mitunter vage Formulierungen und sehr strenge Kriterien, bevor der Versicherer tatsächlich leistet.
Einige Zeit später wurde die Frau aufgrund einer psychischen Krankheit tatsächlich berufsunfähig. Und sah sich nun damit konfrontiert, dass ihr neuer Vertrag hierfür keinen Schutz bot. Denn der Verlust einer versicherten Grundfähigkeit lag nicht vor. Daraufhin verklagte sie ihren Versicherungsmakler auf Schadensersatz und behauptete, ihr sei der Unterschied zwischen einer BU- und einer Grundfähigkeitsversicherung nicht hinreichend erklärt worden. Hätte sie die Unterschiede gekannt, so hätte sie den bisherigen Berufsunfähigkeits-Schutz nicht aufgegeben. Sie wollte nun die ursprünglich vereinbarte BU-Rente vom Versicherungsmakler gezahlt bekommen.
Der Makler hingegen wehrte sich vor dem Gericht mit der Behauptung, seine Mandantin habe den Berufsunfähigkeits-Vertrag ohnehin kündigen wollen. Außerdem liege bei ihr gar keine Berufsunfähigkeit vor.
Erhebliche Verletzung von Beratungspflichten
Laut Jöhnke & Reichow hat das Landgericht Bamberg mit Urteil vom 20.09.2021 zugunsten der Versicherungsnehmerin entschieden. Demnach habe der Versicherungsmakler seine Beratungspflicht erheblich verletzt (Az.: 43 O 276/18).
Demnach habe das Landgericht hervorgehoben, dass bei einem Versicherungswechsel die Beratungspflichten sehr weit gehen. Das zeige unter anderem ein Urteil des Bundesgerichtshofes zur Umdeckung einer Lebensversicherung (Az. I ZR 274/16). Die weit greifenden Pflichten gelten insbesondere dann, wenn der bisherige Versicherungsschutz in einen existentiell bedeutsamen Bereich fällt – hier eben der Schutz der Arbeitskraft. Der Versicherungsvermittler habe hierbei zu beachten, dass der Versicherungsnehmer in der Regel weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung in Kauf nehmen will.
Zudem habe die Klägerin bereits unter zahlreichen Vorerkrankungen gelitten, als der Makler dazu riet, sich von der Berufsunfähigkeits-Police zu trennen. Es wäre ihr folglich unmöglich gewesen, einen neuen BU-Schutz zu gleichen Konditionen abzuschließen. Bei wahrheitsgemäßer Angabe der anzeigepflichtigen Vorerkrankungen wäre davon auszugehen gewesen, dass ein Versicherer einen Vertrag nur noch schließen würde, wenn bezüglich der Vorerkrankungen ein Ausschlusstatbestand vereinbart werden würde.
Makler schickte Frau in Deckungslücke
Eine ordnungsgemäße Beratung hätte unter diesen Umständen erst gar nicht thematisiert, den Vertrag zu kündigen, weil damit eine erhebliche Deckungslücke entstehen würde, führten die Richter laut Kanzlei aus. Diese Deckungslücke sei durch einen Grundfähigkeiten-Schutz nicht zu kompensieren. Zudem habe der Makler aufgrund der bestehenden Krankheiten der Frau damit rechnen müssen, dass sich die Deckungslücke auch realisiere. Anders ausgedrückt: Dass die Frau ihren Beruf aufgeben muss, war kein unwahrscheinliches Szenario. Im Gegenteil: Hätte die Frau ihren BU-Vertrag von sich aus kündigen wollen, hätte der Makler ihr explizit davon abraten müssen.
Die Frau konnte zudem nachweisen, dass sie tatsächlich im betroffenen Zeitraum berufsunfähig geworden war, führen Jöhnke & Reichow weiter aus. Sie konnte daher verlangen, so gestellt zu werden, wie sie bei Fortbestand ihrer ursprünglichen Berufsunfähigkeitsversicherung gestanden hätte. Der Makler muss folglich die Berufsunfähigkeitsrente in der vollen Höhe ihres früheren Vertrages zahlen.